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Thursday, 28.03.2024

München korrigiert maßgebliche Miethöhen bei der Ausübung des Vorkaufsrechts

Zukünftig besserer Schutz der Mieter vor Luxussanierungen

Die Landeshauptstadt München übt seit 1984 Vorkaufsrechte in Erhaltungssatzungsgebieten aus. Die Verfahrensweise wurde bisher in einem Grundsatzbeschluss festgelegt, dessen letztgültige Fortschreibung der Stadtrat am 07.10.2009 beschlossen hatte.
Ein zentraler Punkt der Vorkaufsrechtspraxis war bisher die sogenannte Ausübungsschwelle, die festlegte, dass das Vorkaufsrecht nur dann ausgeübt wird, wenn die durchschnittliche Bruttokaltmiete im Anwesen den Durchschnittswert der Bruttokaltmieten im gesamten Gebiet der Landeshauptstadt München abzüglich 10 % nicht übersteigt.

Mit dem Abzug von 10 % sollten bisher solche Anwesen erfasst werden, die in ihrem Mietniveau hinter dem allgemeinen Durchschnitt zurückbleiben und daher in besonderer Weise von Veränderungen betroffen sein können, die negative städtebauliche Folgen nach sich ziehen und das angestammte Milieu betreffen. Der jährlich vom Planungsreferat ermittelte Schwellenwert ist in den letzten Jahren jedoch kontinuierlich gestiegen und bildete ein objektives Kriterium für die Ausübung des Vorkaufsrechts. Der Schwellenwert betrug bisher stadtweit einheitlich 8,76 €/m². Die Ausübungsschwelle und damit das Engagement der Stadt für den Schutz deutlich unterm stadtweiten Durchschnitt liegender, preisgünstiger Mietshäuser hat im Laufe der Jahre zunehmende Akzeptanz erfahren. Entscheidend im Verhandlungswege wurde in der zurückliegenden Zeit eine jährlich ungefähr gleich bleibende Zahl von Abwendungsvereinbarungen und dadurch geschützten Wohnungen erreicht.
Die Ausübung des Vorkaufsrechts als „ultima ratio“ kam immer seltener zum Einsatz.
Die städtische Praxis in der Zeit von 1999 bis 2009 brachte folgende Ergebnisse:
Geschützt wurden insgesamt 4.354 Wohnungen in 256 Anwesen mit insgesamt 292.883 m² Wohnfläche.

2009 hatte der Stadtrat bekräftigt, dass die Ausübungsschwelle ein unverzichtbares, objektives Kriterium für die Ausübung sei. Mit Hilfe dieses Kriteriums konnte bislang jedenfalls die Verdrängungsgefahr und damit die Zielrichtung der Ausübung einleuchtend dargelegt werden. Die bisherige Regelung hatte auch die Wirkung, dass die städtischen Finanzmittel und sonstigen Ressourcen gezielt für die jeweiligen Anwesen eingesetzt werden, die im Hinblick auf den Milieuschutz besonders gefährdet erschienen.

Nachdem der Schwellenwert schon in der Zeit vor 2009 Gegenstand von Anträgen war, haben schon kurze Zeit nach den Festlegungen im oben genannten Grundsatzbeschluss einige Bezirksausschüsse sowie die SPD-Stadtratsfraktion Anträge gestellt, den Schwellenwert wegen der enormen Mietunterschiede in den Vierteln kleinräumiger vorzugehen und nur den Durchschnittswert der näheren Umgebung zu berücksichtigen und somit anzuheben.

Vorauszuschicken ist, dass das Vorkaufsrecht stets einen privatrechtlichen Verkauf in einem Erhaltungssatzungsgebiet voraussetzt und damit nur punktuell uns sporadisch eingesetzt werden kann. Wegen der Abhängigkeit von den örtlichen Marktbewegungen, die unregelmäßig verlaufen, ließen sich die Zahlen nicht verallgemeinern. Obwohl die Gesamtstatistik der vergangenen Jahre bis 2009 keinen Rückgang bei den geschützten Anwesen zeigte (in den ersten drei Quartalen des Jahres 2010 sank die Zahl der geschützten Anwesen/Wohnungen allerdings spürbar), wurde festgestellt, dass die Ausübung des Vorkaufsrechts in einer erheblichen Anzahl von Fällen bereits an der Ausübungsschwelle scheiterte. Zahlreiche Häuser wiesen -andersausgedrückt- Durchschnittsmieten zum Teil weit jenseits der 8,76 €/m² (bruttokalt) auf; Mieten über 12,00 €/m² waren keine Seltenheit.
Auch in der Verwaltung mehrten sich die fachlichen Zweifel, ob die Ausübungsschwelle, wie sie bisher verstanden und praktiziert wurde, ihre Aufgabe als geeignetes Kriterium und Verdrängungsindikator in dieser Form weiter würde erfüllen können.

Nunmehr hat der Stadtrat in  seiner Sitzung vom 26. Januar 2011 die Veränderung der bisherigen Ausübungsschwelle (stadtweite Durchschnittsmiete) beschlossen: sie wird ersetzt durch gebietsbezogene Schwellenwerte/Vorprüfungsschwellen, die nach  dem Mietspiegel ermittelt werden, und verbunden werden mit den weiteren Kriterien Baualter vor 1969 und durchschnittliche Wohnungsgrößen im Anwesen mindestens 40 m².

Die bisherige Ausübungsschwelle wird nunmehr durch gebietsspezifische „Mietenschwellenwerte“ ersetzt und um zwei weitere Kriterien ergänzt. Damit wird ihr eine andere Bedeutung gegeben bzw. eine veränderte Aufgabe zugedacht. Weiter ergeben sich für eine Vorprüfung von Vorkaufsrechtsfällen drei Prüfungsschritte:

  • Liegt die tatsächliche Durchschnittsmiete im Anwesen unter der jeweiligen gebietsspezifischen Miete, der sogenannten „Vorprüfungsschwelle“?
  • Ist das Anwesen vor 1969 erstmals fertiggestellt worden?
  • Beträgt die durchschnittliche Wohnungsgröße im Anwesen mindestens 40 m²?

Der Stadtrat hat die gebietsspezifischen Mieten/Schwellenwerte (erster Prüfungsschritt) in einer Tabelle festgelegt (kann bei der Verfasserin abgerufen werden), die vom Planungs- und Sozialreferat alle zwei Jahre -jeweils anlässlich eines neu veröffentlichten Mietspiegels- aktualisiert werden soll.
Zum “ergänzenden Vorprüfungsindikator“ Baualter (zweiter Prüfungsschritt) sollen Gebäude mit dem Baualter 1969 und jünger ausscheiden. Das Baualterskriterium wird bereits bei der Ermittlung der Satzungsgebiete verwendet. Häuser in diesen Baualtersklassen sind für die Erhaltungssatzungsgebiete untypisch.
Der „ergänzende Vorprüfungsindikator “Wohnungsgröße (dritter Prüfungsschritt) lässt Anwesen unberücksichtigt, bei denen die durchschnittliche Wohnungsgröße unter 40 m² liegt. Hierbei handelt es sich erfahrungsgemäß um Appartementhäuser, Wohnheime oder wohnheimähnliche Objekte, bei denen per se eine hohe Fluktuation herrscht und in der regel eingeringes Aufwertungs- und verdrängungspotential besteht.

Mit  der Einführung des Vorprüfungsverfahrens tritt ein entscheidender Wechsel in der bisherigen Vorkaufsrechtspraxis ein. Die Auswirkungen eines solchen „Paradigmenwechsels“ sind vielfältig und nur schwer abzuschätzen, zumal die Anzahl der Fälle, die künftig überhaupt überprüft werden müssen, von den örtlichen Marktbewegungen abhängen, die nicht vorherzusehen sind. Der Immobilienmarkt, gerade in dem hier interessierenden Segment der innenstadtnahen Gebiete, war schon in der Vergangenheit uneinheitlich, starken Schwankungen unterworfen und von unerwarteten, meist konjunkturellen Faktoren beeinflusst. Auch die rechtlichen Auswirkungen lassen sich heute noch nicht zuverlässig absehen.

Quelle: Landeshauptstadt München

Verfasserin:
Erika Schindecker
Gesellschaft für Organisation, Vorbereitung und Betreuung von Bauobjekten mbH
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