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Tuesday, 16.04.2024

Erhaltungssatzung in München

Ein weiteres Hindernis auf dem Weg zur Baugenehmigung kann zur Bestandssicherung der durch die Gestalt einzelner Gebäude und anderer baulicher Anlagen geprägten Eigenart von Ortsteilen und die Erhaltung einer vielschichtigen Wohnbevölkerung die Erhaltungssatzung nach § 172 BauGB werden.

Jede Gemeinde kann gemäß § 172 BauGB in einem Bebauungsplan oder durch eine Orts-satzung Gebiete bezeichnen, in denen

  1. zur Erhaltung der städtebaulichen Eigenart des Gebietes aufgrund seiner städtebaulichen Gestalt (Absatz 3),
  2. zur Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung (Absatz 4) und
  3. bei städtebaulichen Umstrukturierungen (Absatz 5)

der Rückbau, die Änderung oder die Nutzungsänderung baulicher Anlagen einer gesonderten
Genehmigung bedürfen. Dabei handelt es sich nicht um eine Baugenehmigung, sondern um einen besonderen Genehmigungstatbestand, gleichwohl beide Genehmigungen in einem Bescheid erteilt werden, soweit die Maßnahme nicht baugenehmigungsfrei ist.

Es gilt zu beachten, daß das Wort Abbruch in den Begriff Rückbau geändert wurde. Hierdurch soll ohne materielle Änderung klargestellt werden, daß nicht nur die vollständige Beseitigung, sondern auch die teilweise Beseitigung, also der teilweise Rückbau erfaßt wird.

Im Geltungsbereich einer Erhaltungssatzung gemäß Ziff. 1 ist auch die Errichtung (Neubau) einer baulichen Anlage dieser gesonderten Genehmigungspflicht unterworfen.
Eine Erhaltungssatzung nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB („Milieuschutzsatzung“) kann für ein Gebiet mit jeder Art von Wohnbevölkerung erlassen werden, soweit deren Zusammen-setzung aus besonderen städtebaulichen Gründen erhalten werden soll.

Für die Versagung der Genehmigung nach § 172 Abs. 4 Satz 1 BauGB reicht es aus, wenn die Baumaßnahme (z.B. Einbau einer Loggia in eine Dachgeschoßwohnung) generell, insbeson-dere auch im Hinblick auf ihre Vorbildwirkung, geeignet ist, die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung zu verändern.
Bei der Prognose einer Verdrängungsgefahr darf sich die Gemeinde auf nach der Lebenser-fahrung typische Entwicklungen stützen. Mietbelastungsobergrenzen können geeignete Indikatoren sein.
Auch bei Annahme einer Verdrängungsgefahr scheidet in atypischen Fällen eine Genehmi-gung der beantragten Maßnahme nach pflichtgemäßem Ermessen nicht von vornherein aus. Die Gemeinde muß jedoch Ermessenserwägungen nur anstellen, wenn Anhaltspunkte für eine atypische Fallgestaltung vorliegen.

Ist der Beschluß über die Aufstellung einer Erhaltungssatzung gefaßt und ortsüblich bekannt-gemacht und ist zu befürchten, daß die Durchführung der Planung (Satzung) durch das beantragte Vorhaben unmöglich gemacht oder wesentlich erschwert würde, kann das zu einer Zurückstellung des Bauantrages auf einen Zeitraum von 12 Monaten führen.




Nach dem neuen § 172 BauGB sind Modernisierungsmaßnahmen ohne Verpflichtungserklärung auflagenfrei zu genehmigen, wenn

  • mit ihnen die Mindestanforderungen der Landesbauordnung berücksichtigt 
werden, d.h. die Modernisierung der Erfüllung der bauordnungsrechtlichen
Mindestanforderung Rechnung trägt, oder
  • ein zeitgemäßer Ausstattungszustand einer durchschnittlichen Wohnung hergestellt, aber nicht überschritten wird.
Hier ist insbesondere eine Grundausstattung im Hinblick auf Sanitär-, Frisch- wasser-, Abwasser- und Elektroinstallationen sowie zentrale Heizungsver sorgungsanlagen gemeint.
Bauliche Änderungen, die lediglich den üblichen Wohnstandard herbeiführen,
insbesondere also der erstmalige Einbau von Toiletten, Dusche/Bad in jeder Wohnung, die Ausstattung mit einer Zentralheizung u. ä., die unter die Genehmigungspflicht fallen, müssen ohne irgendwelche Nebenbestimmungen genehmigt werden. Hier kann die Behörde vom Antragssteller nicht verlangen, daß er sich auf einen bestimmten Mietzins festlegt.




Darüberhinaus muß die Genehmigung erteilt werden, wenn das Grundstück / Objekt zu einem Nachlaß gehört oder selbst genutzt wird.

Soweit mit einer Modernisierung über den zeitgemäßen Ausstattungszustand einer durch-
schnittlichen Wohnung unter Berücksichtigung der bauordnungsrechtlichen Mindestanfor-
derungen hinausgegangen werden soll, findet auf sie die Regelung des § 172 Abs. 4 BauGB keine Anwendung, d.h. die Maßnahme ist nicht genehmigungsfähig und somit abzulehnen.




Nicht genehmigungsfähige Maßnahmen sind insbesondere:

  • Einbau einer Galerie / einer Empore
  • Einbau eines Wintergartens, da es sich dabei um eine gehobene Ausstattung handelt, die für den Baubestand im Stadtgebiet unüblich und untypisch ist.
Dies gilt jedoch nicht, wenn z.B. lediglich vorhandene Balkone verglast werden sollen.
  • Der Einbau von Personen-Aufzügen, die nach Art. 37 BayBO nicht zwingend 
vorgeschrieben sind. 
Ausnahme: Personenaufzüge sind in Gebäuden mit mehr als fünf Vollgeschossen nach wie vor allgemein üblicher Standard. Darüber hinaus sind Aufzüge nach Art. 37 BayBO ab einer Gebäudehöhe von 13 m baurechtliche Mindestanforderung.
  • Schaffung einer Maisonettewohnung, wenn dadurch eine Großwohnung von mehr als 130 m 2 entsteht.
  • Schaffung einer Großwohnung (mehr als 130 m 2 )
  • Grundrißveränderungen , wenn dadurch weit überdurchschnittlicher Wohnraum entsteht, z.B. eine 2-Zimmer-Wohnung mit einer Fläche von 120 m 2 .
  • Die Vergrößerung und/oder der Anbau neuer Balkone wenn dadurch die Gesamtfläche mehr als 8 m 2 - absolute Fläche - beträgt; bei der Vergrößerung eines bestehenden Balkons ist die Bestandsfläche mitzurechnen.
  • Einbau einer Sauna / eines Schwimmbades
  • Einbau eines offenen Kamines
  • Schaffung einer Dachterrasse, wenn durch den Einschnitt in die Dachfläche auf einer eigenen Ebene ausschließlich eine Terrassenfläche entsteht, die nur indirekt, z.B. über eine Treppe, von der Wohnung aus, erreichbar ist.
Ausnahme:Wenn neben bereits vorhandenem Wohnraum oder in Zusammen-hang mit einer Wohnraumerweiterung eine Dachterrasse entstehen soll und die Dachterrasse auf derselben Ebene wie der Wohnraum liegt, d.h. direkt vom Wohnraum aus begehbar ist, ist eine Dachterrassenfläche bis 8 m2 - absolute Fläche - zu genehmigen.
  • Einbau von Außenvideoanlagen
  • Aufwendige, über den zeitgemäßen Ausstattungsstandard hinausgehende Modernisierungsmaßnahmen einzelner Räume bzw. von Wohnungen.

Die vorstehenden Ausführungen sind auf leerstehenden Wohnraum entsprechend anzuwenden.

Maßnahmen in Wohnungen, die zum Zeitpunkt der Antragstellung vom Eigentümer oder dessen Familienangehörigen i.S. des § 8 Abs. 2 II. WoBauG bewohnt werden, sind geneh-migungsfrei. Modernisierungen über den zeitgemäßen Ausstattungsstandard hinaus sind bei erst beabsichtigter Eigennutzung nicht genehmigungsfähig.

Rückbau und Nutzungsänderung sind stets ohne Mietpreisbindung zu genehmigen, wenn Ersatzwohnraum im Sinne von § 172 Abs. 4 Satz 3 Ziffer 1 BauGB im gleichen Erhaltungssatzungsgebiet geschaffen wird.

Ein allgemein üblicher Zustand von Mieträumen ist dann erreicht, wenn dieser Zustand bei der überwiegenden Mehrzahl von Mieträumen - mind. 2/3 Anteil - anzutreffen ist.

Diese Bestandsaufnahme zum allgemein üblichen Wohnstandard nimmt nicht Bezug auf zur Bauzeit gültige Vorschriften oder Normen wie z.B. Wärmeschutz, Schallschutz, Brandschutz, Statik, Umweltauflagen, Denkmalschutz usw. (dies wäre in Einzelfällen zu prüfen).

Grundriss

Über 2/3 Anteil der Grundrißlösungen von Mietwohnraum innerhalb der Stadt München sind Ausdruck der Suche nach einer wirtschaftlichen Lösung. Dementsprechend ist der prozentuale Anteil von Nebenflächen gering. Komfort- bzw. Luxuswohnungen bilden auf dem Mietsektor nach wie vor den geringeren Anteil.



Ausdruck hierfür sind auch allgemein übliche Wohnungsgrößen wie

  • 1-Zimmer-Wohnungen mit rd. 30 m² bis rd. 45 m²² WF
  • 2-Zimmer-Wohnungen mit rd. 45 m² bis rd. 70 m² WF

  • 3-Zimmer-Wohnungen mit rd. 70 m² bis rd. 95 m² WF
  • 
4-Zimmer-Wohnungen und 95 m² bis 130 m² WF

Für Wohnraum in der Größenordnung ab 3 Zimmern oder 2,5 Zimmern mit Wohnküche sind familiengerechte Konzeptionen und eine hierfür ausreichende Möblierbarkeit Standard.

Grundriss- ausstattung

Bauliche Gegebenheiten wie u.a. das Vorhandensein eines Personenaufzuges, eines gesonderten Abstellraumes, ausgewiesener Abstellflächen für Kinderwägen und Fahrräder oder einer Gegensprechanlage bestimmen den allgemein üblichen Wohnstandard entscheidend mit.



Gesonderte Abstellräume wie z.B. im Kellergeschoß, Speicher oder in Nebengebäuden sind in mehr als 2/3 der Fälle Mietwohnungen zugeordnet.



Abstellflächen für z.B. Kinderwägen und Fahrräder sind in mehr als 2/3 der Fälle Mietwohnungen zugeordnet.



Sprechanlagen sind in mehr als 2/3 der Fälle Mietwohnungen zugeordnet.



Personenaufzüge sind nicht allgemein üblicher Standard in Gebäuden mit 4 bis 5 Vollgeschoßen. Gebäude mit mehr als 5 Vollgeschoßen besitzen in mehr als 2/3 der Fälle einen Personenaufzug.

Sanitärausstattung

Bäder- und Toiletten innerhalb der Wohneinheiten sind allgemein üblicher Standard.



Der Sanitärbereich von 1 und 2 Zimmer-Wohnungen besteht in der überwiegenden Anzahl aus einem Bad, ausgestattet mit Wanne, Waschbecken und WC.

Für 3 Zimmer-Wohnungen und darüber

  • Räumliche Trennung von Bad und WC (zwei Sanitärräume)
  • Ausstattung des Bades mit zwei Waschbecken
  • Ausstattung mit Badewanne und Duschwanne

Küchenräume

Allgemein üblicher Standard ist die Grundausstattung mit Kochstelle und Spüle sowie die hierfür notwendigen Leitungsführungen und Anschlüsse.



In über 2/3 der Fälle sind Kochstelle und Spüle in eine relativ einfache Arbeitszeile integriert. Arbeits- und Abstellflächen stehen vielfach dem Wunschdenken mangels Platzangebot nach.



In über 2/3 der Fälle kommen Gas- oder Elektroherde zum Einsatz. Zusätzliche Beistellherde oder Gas-/ Heizherde und kombinierte Gas-Elektroherde sind nicht Standard.



Im Spritzbereich (Wirtschaftsbereich, Arbeitszeile) ist eine Wandverfliesung in Höhe von mehreren Fliesenreihen Standard.



Für die Warmwasserversorgung ist in 2/3 der Fälle eine zentrale Anlage, vielfach im Zusammenhang mit der Heizungsanlage installiert.



Anschlüsse-, insbesondere Elektroanschlüsse sind nach heutigem Wunschdenken und Anforderungen in noch zu geringer Anzahl installiert.

Beheizung

Für die Raumheizung von Mietwohnungen kommen mittlerweile in mehr als 2/3 der Fälle entweder Gaseinzel- oder Elektro-/Nachtspeicheröfen oder zentrale Heizanlagen (Zentralheizung, Fernheizung, Etagenheizung) zum Einsatz.

Fenster, Fenstertüren

Verbundfenster oder Isolierverglasung sind allgemein üblicher Standard.

Wohnungs-eingangstüren

Der überwiegende Anteil der Wohnungseingangstüren entspricht den Ansprüchen an den Schall- und Feuerschutz, ebenso der anerkannten Sicherheit vor Diebstahl und Gewalt.

Elektroinstallation

Der allgemein übliche Standard der Elektroinstallation erfüllt die notwendigen Anforderungen. Allerdings mangelt es aus heutiger Sicht insbesondere in Sanitär räumen und Küchen an der gewünschten Anzahl von Anschluss- und Bedienmöglichkeiten

Die Genehmigungspflicht gem. § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB besteht auch für baurechtlich genehmigungsfreie Vorhaben (z.B. Erneuerung der Fenster mit Isolierverglasung zur Erhöhung des Schall- und Wärmeschutzes). 



Eine Erhaltungssatzung begründet zudem ein Vorkaufsrecht für die Gemeinde oder Stadt, um einer drohenden Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen vorzubeugen.



Seit 01.01.1998 muß bei Ausübung des Vorkaufsrechts nicht mehr der vereinbarte Kaufpreis bezahlt werden, sondern lediglich der von der Stadt ermittelte Zeitwert (Verkehrswert).



Die bayerische Regierung hat keinen Gebrauch von der Ermächtigung zum Erlaß einer Rechtsverordnung zum Verbot der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen gemacht (§ 172 Abs. 1 Satz 2 BauGB).



Die gebietspezifische Miete spielt beim Vollzug der Erhaltungssatzung keine große Rolle mehr (nur noch beim Vorkaufsrecht).



Sollte ein Eigentümer jedoch aus Wirtschaftlichkeitsüberlegungen zu dem Schluß kommen, daß es besser ist, im Erhaltungssatzungsbereich eine Wohnung leerstehen zu lassen, als sie zur gebietsspezifischen Miete neu zu vermieten, hilft dies auch nicht weiter, denn bereits nach 3 Monaten gerät er in den Einflußbereich der Zweckentfremdungs-Verordnung, die das Leerstehenlassen von Wohnraum als nicht genehmigte Zweckentfremdung einstuft bzw. unter Strafe stellt.

Jeder Hausbesitzer, der im Erhaltungssatzungsgebiet eine Modernisierung plant, sollte sich vor Antragsstellung fachmännisch beraten lassen.

Autor
Erika Schindecker
Gesellschaft für Organisation, Vorbereitung und 
Betreuung von Bauobjekten mbH
Sendlinger Straße 21/VI, 80331 München,
Telefon 089 - 260 35 66, Fax 089 - 260 78 81
E-Mail: schindecker(at)web(dot)de

Referenzprojekte

Betreuung des Baugenehmigungsverfahrens "Dritter Orden, Menzinger Straße in München"
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Projekt Luitpoldblock München
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Projekt V-Markt, München
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