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Saturday, 20.04.2024

Beeinträchtigung des Ortsbildes durch Riesenposter-Werbeanlage

Richtlinien der Stadt München zu „Anforderungen an das Erscheinungsbild temporärer Gerüstwerbung“ höchstrichterlich bestätigt

Großflächige Werbeposter an Baugerüsten sind grundsätzlich baugenehmigungspflichtig.
Die Werbung ist nur befristet genehmigungsfähig und nur so lange Arbeiten am Gebäude durchgeführt werden, für die eine Staubschutzfolie erforderlich ist.

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat im Urteil vom 18.11.2010 (AZ.: 2 B 09.1497) die Berufung eines Unternehmens für Außenwerbung zurückgewiesen und das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 21.07.2008 (AZ: M 8 K 08.714) bestätigt.

Vorausgegangen war ein Bauantrag zur Anbringung einer beleuchteten Riesenposter-Wechselwerbeanlage an einem Baugerüst. Das streitgegenständliche Baugrundstück ist in geschlossener Bauweise mit einem fünf- bis siebengeschossigen, abgestuften Gebäude bebaut. Das Gebäude befindet sich im Geltungsbereich eines übergeleiteten Baulinienplans, das lediglich im Eingangsbereich die festgesetzte Baulinie nicht einhält. Das Gebäude springt an dieser Stelle um ca. 3,50 m und auf einer Länge von ca. 11,70 m zurück. Hier befindet sich der Haupteingang des Gebäudes samt Haupttreppenhaus. Die Fassade wurde u. a. im für die Werbenutzung beantragten Zeitraum bis hin zum Eingangsbereich saniert (Ausbesserung der Steinfassade, Erneuerung der Fenster). Zu diesem Zweck wurde ein Baugerüst aufgesellt.
Im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens war zwischen Antragsteller und Genehmigungsbehörde umstritten, ob auch der hier streitgegenständliche  Eingangsbereich notwendig eingerüstet werden müsste. Eine klare Aussage des Gebäudeeigentümers, ob im fraglichen Bereich ebenfalls Bauarbeiten stattfinden, erfolgte nicht. Bei einer Baukontrolle war der fragliche Eingangsbereich nicht eingerüstet.

Gegenüber dem Antragsgrundstück befindet sich ein in der bayerischen Denkmalliste eingetragenes Einzeldenkmal. Das verfahrensgegenständliche Gebäude ist zudem Bestandteil eines in die Denkmalliste eingetragenen Ensembles.
Ausweislich der Eingabepläne sollte eine 13,00 m hohe und 5,50 m breite Fläche an einem 20,50 m hohen und ca. 11,70 m breiten sowie 1,30 m tiefen Baugerüst im Bereich des Haupteingangs für die wechselseitige Anbringung von Werbetransparenten in verschiedenen Zeitintervallen zu Werbezwecken genutzt werden. Das Gerüst sollte in diesem Bereich mit einer bedruckten Plane in der Farbe des Natursteins der Fassade, sogenanntes Passepartout, das übrige Baugerüst mit einer Staubschutzplane abgedeckt werden.

Die Landeshauptstadt München machte die Antragstellerin drauf aufmerksam, dass gemäss ihren Richtlinien zu „Anforderungen an das Erscheinungsbild temporärer Gerüstwerbung“
eine Visualisierung der Fassade im Bereich des Rücksprungs notwendig sei; entsprechend müsse die Größe des Posters verkleinert werden. Dies erfolgte nicht.
Daraufhin lehnte die Landeshauptstadt München im Januar 2008 den Bauantrag mit der Begründung ab, dass die für die Überschreitung der Baulinie notwendige Befreiung nach § 31 Abs. 2 Baugesetzbuch nicht erteilt werden kann, da eine solche städtebaulich nicht vertretbar sei. Die Werbeanlage entspreche nicht den Richtlinien, weil in derart denkmalgeschützten Ensembles entweder eine fotorealistische Darstellung oder eine künstlerische, kreative Gestaltung der restlichen Fläche der Staubschutzfolie erforderlich sei. Zudem fehlen Ausführungen zur Notwendigkeit der Schutzplane für die Fenstererneuerung.

Die Antragstellerin klagte gegen die Ablehnung der Bauaufsichtsbehörde; das Verwaltungsgericht wies die Klage ab. In der Abweisung wurde ausgeführt, dass die zulässige Fortsetzungsfeststellungsklage erfolglos bleiben wird, weil das Vorhaben gegen § 34 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 Baugesetzbuch (BauGB) verstoße:
„Ein mit Gerüstwerbung einhergehender Eingriff in das bauplanungsrechtliche Ortsbild sei nur dann hinnehmbar, wenn an der konkreten Stelle ein Baugerüst für Baumaßnahmen auch notwendig sei. Im Hinblick auf die Dimensionierung der Werbeanlage sei bei mehrspurigern Einfallstraßen und der damit verbundenen optischen Wirkung auf einen weitaus größeren Bereich als die unmittelbare Umgebung des Baugrundstücks eine Beeinträchtigung des Ortsbildes  anzunehmen. Nur bei einem für die Bauarbeiten notwendigen Baugerüst könne ein solch massiver Eingriff in die nähere Umgebung gerechtfertigt sein.“

Die Antragstellerin legte gegen die Abweisung Berufung ein.
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof kam zu folgendem Ergebnis:
„Die zulässige Berufung der Bauherrin und Klägerin ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat ohne Rechtsfehler entschieden, dass kein Anspruch auf Feststellung besteht, dass die Ablehnung der von ihr beantragten Baugenehmigung rechtswidrig war, weil das Vorhaben nicht genehmigungsfähig war und damit die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt ist.
Das Vorhaben stellt sich bereits als bauplanungsrechtlich nicht genehmigungsfähig dar, da       die beantragte Werbeanlage das Ortsbild gemäß § 34 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 Baugesetzbuch
beeinträchtigt hätte.
Bei der Frage der Beeinträchtigung des sogenannten großen, städtebaulichen Ortsbildes stellt die Rechtsprechung auf einen größeren maßstabsbildenden Bereich als auf die für das Einfügungsgebot des § 34 Abs. 1 Satz 1 Baugesetzbuch maßgebliche nähere Umgebung ab.
Maßstab hierfür ist der Ort. Es kommt somit auf das „Orts-„bild, also auf das Erscheinungsbild zumindest eines größeren Bereichs der Gemeinde an. Entscheidend ist, ob sich das Vorhaben in diese weite Umgebung einpasst.
In welchem Umfang das so geschützte Ortsbild durch ein hinzukommendes Bauvorhaben beeinträchtigt wird, muss mit Blick auf die konkrete Situation der Umgebung geklärt werden.
Dabei ist ein denkmalgeschützter Bereich in anderer und stärkerer Weise schutzwürdig als ein beispielsweise durch moderne Wohnbauten oder Industriebauten geprägtes Ortsbild.
Bei einer Werbeanlage dieser Größenordnung mit einer weiträumigen Blickbeziehung ist eine optische Wirkung auf einen weit größeren Bereich als die unmittelbare Umgebung des Baugrundstücks anzunehmen.“

Das Gericht führte weiter aus, dass die streitgegenständliche Werbeanlage zudem auch verunstaltend im Sinn von Art. 11 Bayerische Bauordnung gewesen wäre.
„Ob eine bauliche Anlage das Straßen-, Orts- oder Landschaftsbild verunstaltet und welcher Umgriff dabei mit einzubeziehen ist, ist aufgrund  der örtlichen Gegebenheiten, insbesondere der Situierung der betreffenden baulichen Anlage, der Art und Struktur der in der näheren und weiteren Umgebung vorhandenen Gebäude, Straßenzüge und Landschaftsteile zu beurteilen, ohne dass sich dabei von vornherein bestimmte Wahrnehmungsorte oder -bereiche festlegen oder ausklammern lassen. Das Verunstaltungsverbot stellt dabei auf das Urteil des für ästhetische Eindrücke offenen Durchschnittsbetrachters ab. Es ist dann verletzt, wenn ein hässlicher Zustand vorliegt, der das ästhetische Empfinden des Beschauers nicht bloß beeinträchtigt, sondern verletzt.

Im Hinblick auf die Tatsache, dass dem hier vorhandenen Straßengefüge aufgrund seiner
Einstufung als denkmalgeschütztes Ensemble eine gesteigerte architektonische Bedeutung zukommt, muss hier auch grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass die streitgegenständliche Werbeanlage verunstaltend im genannten Sinn wirkt.

Da sich das streitgegenständliche Bauvorhaben im Bereich eines denkmalgeschützten Ensembles und in der Nähe eines Einzeldenkmals befindet, sind im Rahmen der Erteilung einer Baugenehmigung stets auch die Belange des Denkmalschutzes zu überprüfen.
Werbeanlagen haben im Einzelfall und in ihrer Zusammenschau offensichtlich erhebliche Auswirkungen auf das Erscheinungsbild von Einzeldenkmälern, aber auch ganzer Straßen- und Platzbilder.
Die Genehmigungsfähigkeit unter den Gesichtspunkten Denkmalschutz und Denkmalpflege hängt in erster Linie davon ab, ob Denkmäler, Ensembles oder ihre Nähe beeinträchtigt werden.
Diese Maßstäbe sind strenger als im Baurecht und setzen keine Verunstaltung voraus.“

Im Zusammenhang mit dem höchstrichterlichen Urteil und den von der Landeshauptstadt München erarbeiteten Richtlinien wird Antragstellern von temporärer Gerüstwerbung empfohlen, das Beratungsangebot der Lokalbaukommission, Blumenstr. 19, (Erdgeschoss),
80331 München persönlich in Anspruch zu nehmen (Servicetelefon: 089/233-864 84).
Im Servicezentrum der Lokalbaukommission liegt auch ein druckfrischer Flyer zum Thema „Werbung am Baugerüst“ auf, der die Thematik und den Verfahrensablauf umfassend behandelt.

Quelle: - VGH-Urteil vom 18.11.2010
             - Landeshauptstadt München

Verfasserin:
Erika Schindecker
Gesellschaft für Organisation, Vorbereitung und Betreuung von Bauobjekten mbH
Sendlinger Str. 21/VI
80331 München
Tel. 089/260 35 66, Fax: 089/260 78 81
info(at)baugenehmigung-muenchen(dot)info
www.baugenehmigung-muenchen.info

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